Pflegenotstand? Angebot und Nachfrage!

Zum OTZ- und TA-Artikel „Pflegenotstand: Kein Platz im Heim“, Hanno Müller, 13.02.2019, S. 1

Tatsächlich müssen viele Pflegeheime aus Personalnot Anfragen abweisen. Für den Bürger bedeutet das, dass man kein Heimplatz für die Oma findet, obwohl es leere Betten gibt. Für ein wirtschaftlich arbeitendes Pflegeheim dagegen bedeutet es, dass die Akquise von Pflegepersonal mindestens so wichtig ist wie die Kundenakquise. Nun, in der freien Wirtschaft geht es bekanntlich um Angebot und Nachfrage. Der aktuelle Pflegenotstand wurde durch die miesen Konditionen und Arbeitsbedingungen der letzten Jahre verursacht, die Branche hat alle Warnrufe der Pflegefachverbände ignoriert. Viele Fachkräfte haben nach wenigen Jahren aufgegeben – und bei einer Arbeitslosenquote von nur 5,8% (Arbeitsagentur, Stand Jan 2019) haben sie „einfachere“ Tätigkeiten gefunden, die mehr Geld und familienfreundliche Arbeitszeiten anbieten.

Die #PflegeComeBack-Studie (November 2018) hat gezeigt, dass viele zur Pflege zurückkehren würden, wenn die Konditionen nur stimmen würden. Die Lösung des Pflegenotstandes liegt also auf der Hand: Menschenwürdige Personaluntergrenzen und attraktive Tarifverträge – nicht bloß Betriebsvereinbarungen. Ein Tarifvertrag bedeutet nicht nur einen Lohn, der Qualifikation und Einsatz tatsächlich entspricht, sondern auch Urlaubsanspruch, Schichtzulagen, Freizeitausgleich, Fortbildungsansprüche, Erfahrungsstufen und vieles mehr. Dann werden viele zurückkommen bzw. neu eintreten. Heute dagegen bemerkt die 30-Stunden-Pflegekraft auf Branchenmindestlohn (10,05€) recht wenig von der „wertschätzenden Unternehmenskultur, eigenständiges Arbeiten und Möglichkeiten zur Weiterentwicklung“ aus der Werbebroschüre – und ideelle Wertschätzung zahlt die Miete nicht.

Ein Tarifvertrag ist gelebter Wertschätzung. Die bpa sollte lieber ihre Mitglieder darüber aufklären, dass seit Januar Tariflohn vollständig aus der Pflegeversicherung refinanziert werden kann. Sofern es keinen Wasserkopf hat und vernünftig geführt wird, kann schon heute ein Pflegeheim genug Personal finden und an sich binden – und gewinnbringend arbeiten.

Ihre Birgit Green, 17.02.2019